Umweltgifte

Wo die größten Risiken für Kinder lauern

Umweltgifte tarnen sich durch viele Namen. Manche verraten sich durch süßlichen Geruch, andere verstecken sich lange Zeit, bevor sie im Organismus zuschlagen – als unerkannte Auslöser für Allergien,  Asthma, Unwohlsein: Umweltgifte.

Sie stecken in Fugen, Bauteilen, Haarsprays und Desinfektionsmitteln und sie schweben in der Raumluft. Wenn die Großen nur mal unpässlich sind, haben die Kleinen oft schon Beschwerden wie Kopfschmerzen, Allergien, Hautausschlag, Magen-Darm Beschwerden oder gar Fieber, da sie um einiges empfindlicher auf Umweltbelastungen reagieren. Sie haben gerade in jüngeren Jahren ein schlechteres Immunsystem und sind stärker Schadstoffen in Bodennähe ausgesetzt als Erwachsene.

Nichts ist vor dem Entdeckerdrang eines kleinen Kindes sicher. Sobald das Kind merkt, dass nicht nur das Bio-Müsli aus dem Gläschen in den Mund passt, sondern auch Gegenstände wie Gummitiere, Schlüsselanhänger oder DVD-Fernbedienungen, macht es intensiv von dieser Erfahrung Gebrauch. Alles Greifbare wird ohne nennenswerte Verzögerung in den Mund geschoben. Dann wird man schon sehen, ob es gut oder „bäh“ schmeckt. Leider scheint auf die so gnaden- und segensreiche natürliche Abneigung gegen unangenehme Gerüche oder üblen Geschmack nicht immer Verlass zu sein.

Reizend, aber giftig: Cocktail aus Umweltschadstoffen

Denn viele Umweltgifte treiben ihr Unwesen lange Zeit incognito und schädigen, ohne sie sehen, fühlen, schmecken oder riechen zu können. Übeltäter wie Poren von Schimmelpilzen können sich sogar über lange Zeit ohne Auffälligkeiten in Geruch oder Aussehen von Tapeten halten und schädigen so besonders hinterhältig. Sporen sind wie Hefeteig – aktiv aber unkontrollierbar. Man weiß nicht, in welche Richtung sie sich davonmachen.

Nach einer Studie des Bundesumweltamtes (BUA) ist die Belastung des kindlichen Organismus im Alltag als gering anzusehen. Zum Risiko wachsen sich die Schadstoffe erst dadurch aus, dass sie sich zu einem regelrechten Cocktail zusammenbrauen können. Das Zusammenspiel mancher Stoffe besitzt dann eine Dramaturgie, die in ihren Auswirkungen nicht konkret einzuschätzen ist.

Pilzsuche in den eigenen vier Wänden

Schimmelpilze zaubern auf die Tapete ein markanteres Muster als jede Farbrolle: ein Regal wird verschoben oder ein Bett wird gerückt und die fiesen schwarzen Stockflecken kommen zum Vorschein

Doch lange schon bevor man ihrer ansichtig wird, treiben die Schimmelsporen ungesehen ihr Unwesen und stellen eine Gefahr für die Luft im Kinderzimmer dar. Besonders in Räumen mit einer hohen Luftfeuchtigkeit und solche, die Wasserrohre und Regenrinnen führen. Schimmelpilze mögen es dunkel und feucht, wachsen unter Teppichen, Matratzen und in Klimaanlagen und breiten sich gerne aus.

Abhilfe kann man durch richtiges Lüften und Heizen schaffen, man kann mit Schimmelpilztests und Luftanalysen den Krankmachern auf die Schliche kommen.

Staubige Lektionen in der Schule

Eins ist klar: Verschmutzte Luft birgt Gesundheitsrisiken. Meist hört man von Feinstaub als Auslöser für viele Krankheiten. Das lenkt aber vom eigentlichen – größeren – Problem ab: der in den eigenen vier Wänden eingeatmeten Luft.

Die ist nämlich deutlich stärker mit Umweltgiften belastet als die Außenluft. Autoabgase sind also ausnahmsweise einmal nicht im engeren Kreis der üblichen Verdächtigen zu nennen. In Schulräumen, die regelmäßig genutzt werden, kann die Staubkonzentration drinnen höher sein als in der Außenluft. Und mit PCBs sind höchstwahrscheinlich noch mehrere tausend Schulen in den alten Bundesländern belastet, die aus Fertigbauteilen bestehen.

So schafft man Abhilfe: regelmäßiges Lüften der Räume. Regelmäßiges feuchtes Wischen der Böden. Niemals in Innenräumen oder Autos rauchen, wenn Kinder oder Schwangere sich darin aufhalten. Keine Insekten- und Raumsprays in geschlossenen Räumen verwenden.

Die Frisur sitzt – mit Gift aus Haarsprays

Umweltgifte aus Haarspray können Fehlbildungen bei Kindern verursachen, so hat es die irische Forscherin Gillian Ormond in einer neuen Studie im Jahr 2009 aufgezeigt.

Der Studie zufolge gibt es nachweislich einen Zusammenhang zwischen einer Missbildung kindlicher Genitalien (Hypospadie) und den so genannten Phthalaten, wie sie beispielsweise in Haarsprays enthalten sind: Bei Schwangeren, die Haarspray ausgesetzt waren, zeigte sich ein dreifach höheres Risiko von Hypospadie ihres Kindes.

Die Übeltäter tragen verschiedene Namen, sodass man nicht immer gleich erkennt, welche Produkte gerade diese Stoffgruppen enthalten. Meist ist es eine Kunststoffverbindung wie Methylmetacrylat, die beim Aufsprühen auf die Haare schnell aushärtet und zum Effekt des langen Halts führt.

Abhilfe: nach der Benutzung von Haarspray gut lüften oder am besten im Freien aufsprühen.

Zappelphillipp oder Diagnose ADHS?

Umweltgifte spielen für die Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung ADHS eine viel größere Rolle, als man bisher angenommen hatte. So tritt beispielsweise Blei immer noch aus alten Wasserleitungen aus.

Es gibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass bereits geringe Mengen Bleis mit den typischen Symptomen von ADHS in Zusammenhang stehen. Bei Pestiziden, denen Kinder ausgesetzt sind, zeigen Wirkstoffe wie das Hexachlorbenzol eine verstärkende Wirkung auf die Symptome der ADHS.

Je höher die Belastung der Kinder mit PCBs ist, desto häufiger wurden Konzentrationsstörungen bei Kindern diagnostiziert. PCB tritt vor allem aus Bauteilen und Fugenmassen aus, die in den 1970er Jahren verbaut wurden.

Gerade vor dem Hintergrund, dass die Diagnose ADHS bei Kindern immer häufiger gestellt wird und es viele aktuelle Studien hierzu gibt, liegt es nahe, den Blick für die Zusammenhänge zu schärfen und Kinder so gut wie möglich vor Umweltbelastungen zu schützen.

Schön aber giftig – Pestizidgemüse

Ein Großteil der Babynahrung wird heute aus ökologischem Anbau angeboten, obwohl dies keine gesetzliche Vorschrift ist. Dass sich sogar schon winzige Rückstände aus pestizidhaltigen Lebensmitteln negativ auf Babys auswirken können, wissen informierte Mütter und Hersteller von Babynahrung seit Jahren.

Man weiß auch, dass sich bei Kindern, die mehr als ein halbes Glas Fruchtsaft pro Tag trinken, ein deutlicher Anstieg der Stoffwechselprodukte aus Pflanzenschutzmitteln nachweisen lässt, die als Nervengifte aktiv sind.

Am besten fährt man, wenn man auf eine Kinderernährung setzt, die Nahrungszusatzstoffe und Pestizide ausschließt. Wer ein kritisches Auge auf Zutatenlisten und ökologisch angebaute Lebensmittel hat, kann das Risiko schädlicher Wirkungen von Schadstoffen bei Kindern sehr gut gering halten.

Amalgam – Zahnärzte raten ab

Ein häufig unterschätztes Risiko für die Entwicklung der Kinder sind Zahnamalgame. Das Quecksilber in Amalgamfüllungen der Mutter kann negative Auswirkungen auf den Fötus und dessen Entwicklung im Mutterleib haben.

Quecksilber ist ein Speichergift und fand sich bei Untersuchungen in in Gehirnen von Kindern um so häufiger, je mehr Amalgamfüllungen die Mütter trugen. Inzwischen weisen sogar Zahnärzte darauf hin, dass Amalgam im Milchgebiss von Kindern generell nicht mehr angewendet werden sollte.

Abhilfe: Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch sollten die Amalgamfüllungen durch andere Füllungen wie Gold oder Kunststoff ersetzen lassen.

Stinken oft zum Himmel: Billigmöbel

Geruch kann ein Hinweis auf Schadstoffe in Möbeln sein. Einrichtungsgegenstände können aber auch ohne zu stinken heimlich schädigen.

Allerdings gibt es in der Praxis beinahe keine Möbel, die völlig frei von Schadstoffen sind. Sogar unbehandeltes Kiefernholz hat natürliche Terpene, auf die empfindliche Menschen allergisch reagieren können.

Abhilfe: Wer einen guten Riecher für schadstofffreie Möbel im Kinderzimmer haben will, kann sich beispielsweise an Gütesiegeln wie dem „Blauen Engel“ oder dem „Goldenen M“ der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel oder am Siegel „LGA-schadstoffgeprüft“ orientieren. Möglichst keine nachgeworfenen Billigmöbel kaufen, denn die kommen oft aus Osteuropa und enthalten eine Menge Schadstoffe.

Trinkwasser oder Bakterienbrühe?

Erfrischendes Nass oder Brackwasser – auch hier muss man die Krankmacher nicht schmecken, sehen oder riechen. So können beim schnellen Glas Wasser unbemerkt auch andere Stoffe mit in die durstige Kehle gelangen.

Das Trinkwasser nimmt seinen Weg oft durch alte Rohre, die Kupfer oder Blei enthalten und sogar aus Asbestbeton bestehen können. Beschwerden von Allergikern wie Migräne, Hautausschlag oder Magen-Darm-Probleme können in nickelhaltigen Wasserhähnen ihre versteckten Ursachen haben. Legionellen in Vorratsspeichern können bei kleinen Kindern die lebensgefährliche Legionärskrankheit auslösen.

Abhilfe: Trinkwasser aus dem Wasserhahn kurz ablaufen lassen – morgens ca. einen Liter, sonst 250 ml. Bleileitungen müssen langfristig ausgetauscht werden. Leben Babys in der Familie, ist eine spezielle Säuglings-Trinkwasseranalyse ratsam, die Auskunft über die Wasserqualität gibt.

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