Gesund naschen Kein Fall für die Zahnfee Sonja Leibinger Eltern trifft recht früh die Erkenntnis, dass ihr Kind Süßes bevorzugt. Gesundes pur wie Gemüse wird oft abgelehnt, Hirsebrei & Co. nur gegessen, wenn man ihn mit sehr viel süßem Obst tarnt. Mit ein paar Tricks knabbern Kinder beim Naschen gesunde Vitamine gleich mit. Eins ist klar: Ein handelsüblicher Kindergeburtstag besteht heutzutage aus einem Schoko- Geburtstagskuchen mit Smartie-Dekoration. Weiter geht’s mit Topfschlagen und Sackhüpfen mit der Aussicht auf Süßes als Preis. Der Überlieferung zufolge war das Wettessen von Schokoküssen schon zu Großmutters Zeiten erst dann richtig aufregend, wenn man es so lange betrieb, dass einem davon schlecht wurde. Vorliebe für Süßes ist angeboren Fruchtwasser und Muttermilch sind süß und was die Natur auch sonst an Süßem hervorbringt, ist meist ungefährlich und meldet ans Gehirn: ist lecker und macht glücklich. Die Vorliebe für „süß“ ist uns angeboren. Provoziert das rigorose Verbot von Süßigkeiten daher nicht erst recht Heißhunger auf Süßes? Von meinem Vater erzählt man sich noch heute, er schleiche sich nächtens regelmäßig in die Küche, um dort Nutella direkt aus dem Glas zu löffeln. Eine mehr oder weniger unauffällige Strategie muss also her, um den Verzehr von Süßigkeiten maßvoll zu halten. Am besten eine, die gleichzeitig noch die superwichtigen Vitalstoffe und Vitamine so auf den Speisezettel schmuggelt, dass Kinder neben Süßem gleich gesundes Obst und Gemüse mitessen. Ein Fall für die Zahnfee: echte Süßigkeiten Vieles, was Kinder gerne essen, gibt sich wenigstens gar nicht die Mühe, wie ein Lebensmittel auszusehen. Gummibärchen, Schokoküsse, Schokolade – sie gehören ohne Zweifel in die Kategorie „essbar“, sind jedoch keine Kinderlebensmittel. Grund: Von Vitaminen, Vital- und Ballaststoffen sind hier keine nennenswerten Spuren zu finden. Das einzige Spurenelement in seiner natürlichen Erscheinungsform kann man beinahe in Eimern messen: Würfelzucker. In einer einzigen Packung Gummibärchen stecken beispielsweise 77 Stück dieser Milchzahnbohrer, in einer Milchschnitte 8 Stück und in 100 g Kinderschokolade 13 Stück Würfelzucker. Ein dick machendes Plus: in den meisten Süßigkeiten findet sich dazu noch jede Menge ungesundes Fett. Nicht nur die Art, wie Supermarktkassen sich hinter Bergen von in Kniehöhe aufgebauten Süßigkeiten tarnen, nährt den Verdacht, dass ein ganzer Industriezweig die Kleinen fest im Griff hat. Es sieht auch beinahe so aus, als habe die vor der Arbeitslosigkeit stehende Zahnfee hier ihre Finger im Spiel. Isst du noch oder naschst du schon? – Versteckter Zucker Anders sieht es mit Produkten aus wie Müsli-Riegeln, Kinder-Schnitten oder Fruchtjoghurts: Sie brüsten sich damit, aus gesunden Zutaten wie Milch und Cerealien zu bestehen und enthalten dabei bis zu 50 % Zucker und häufig ebenso viel Fett wie reine Schokolade. Dabei sieht man es den knallbunten Becherchen und Packungen nicht an, im Gegenteil: Das Ratespiel geht in eine höhere Runde, denn die Produkte sind gut getarnt. Wie viel Zucker, Fett, Farbstoffe und künstliche Aromen sind hier wieder versteckt ? Untersuchungen zufolge bieten diese „Kinderlebensmittel“ noch nicht einmal Vorteile gegenüber herkömmlichen Lebensmitteln. Im Gegenteil. Meist sind es Produkte, die Kinder nur in geringen Mengen essen sollten. Spezielle Marketingkonzepte verschweigen dies jedoch den Eltern und Kindern ganz gezielt. Natürlich süß verpackt: Kürbis, Tomate & Co. Mit gesunder Ernährung bei Kindern ist man am besten am Start, wenn man die oben genannten Zuckerbomben erst gar nicht einführt. Mit den ersten Kindergeburtstagen ist diese Idylle jedoch meist vorbei. Glücklicherweise hat die Natur auch in andere süße Lebensmittel jede Menge Vitamine hinein gezaubert. Zugegeben, nicht gerade in Gummibärchen, noch nicht mal in grüne. Es lassen sich jedoch aus Getreidesorten wie Hirse und Buchweizen und viel süßen Früchten sehr leckere Mahlzeiten zaubern. Viele Gemüsesorten wie Karotten, Paprika, Tomaten, Zucchini oder Kürbis sind von sich aus süß und können eine gute Basis für eine leckere Süßspeise abgeben. Serviert man dem Kind öfter süßen Nachtisch aus verschiedenen Obstsorten – auch exotischen Früchten wie Mango, Papaya oder Maracujas – so reduziert sich der Hunger auf Schokolade, Bonbons & Co. von ganz alleine. Gesichtswurst-Carpacchio mit Gummibären-Salat? Für zwischendurch eigenen sich gesundes Obst, Trockenfrüchte, Nüsse und Studentenfutter als gute Alternative zu Bonbons und Keksen. Kontrollierbar wird der Konsum von Süßware auch, wenn man sich mit dem Kind zugleich eine Naschdose anschafft, in die der erlaubte Wochenvorrat kommt, den sich das Kind dann selbst einteilen darf. Und beim Kochen kann man meist auf ein Viertel der Zuckermenge verzichten- meist ohne Geschmacksverlust. Ratsam ist es auch, nicht auf Süßstoffe ausweichen, denn durch sie nimmt die Vorliebe für die Geschmacksrichtung „süß“ erst recht zu. Ältere Kinder sind oft sehr kreativ beim Erfinden von Rezepten und experimentieren gern auch mit „erwachsenen“ Lebensmitteln. Das Gesichtswurst-Carpacchio mit Gummibärchen-Salat sind da nur eine recht einfallslose und zudem kontraproduktive Alternative aus Erwachsenenhirnen.