Beziehungskrise nach der Geburt Eltern werden, Partner bleiben Krystel Klinkert Die Geburt eines Kindes bedeutet für viele Paare das größte Glück. Gleichzeitig kann dieses Ereignis jedoch auch zur größten Herausforderung für das Zusammenleben der Eltern werden. Die grundlegenden Veränderungen lösen – oft unbemerkt – eine Beziehungskrise nach der Geburt aus. Der Himmel hängt voller Geigen, alles ist perfekt, als Krönung der Liebe fehlt nur noch ein gemeinsames Kind. Das Glücksgefühl bei der Geburt ist unbeschreiblich. Getrübt wird es lediglich durch die schlaflosen Nächte, die auf die frisch gebackenen Eltern zukommen. Doch auch diese sind irgendwann überstanden und alle leben glücklich bis an ihr Lebensende. So oder ähnlich stellen sich Paare ihr zukünftiges Leben mit Kind vor. Bis man schließlich drin steckt: mitten im Alltag und zwar nicht mehr nur als Paar, sondern als Mama und Papa. Das Baby ist da mit einem Berg voller Überraschungen im Schlepptau. Und plötzlich stellt man fest, dass das Wasser, in das man gesprungen ist, trotz vermeintlich guter Vorbereitung, doch noch ziemlich kalt ist. Wunsch und Wirklichkeit Die romantische Idealvorstellung vom Eltern werden entspricht nicht immer dem, womit Mütter und Väter in der Realität wirklich konfrontiert werden. Viele Eltern gestehen, dass sie das Leben mit einem Kind unterschätzt haben und müssen dabei selbst über ihre Naivität schmunzeln. Auch wenn sie sich der großen Verantwortung und der Anstrengung bewusst sind, so unterschätzen viele Paare oft das Ausmaß an Arbeit und Belastung, das mit dem Kind auf sie zu kommt. Plötzlich ist alles anders Ein Kind ist ein Fulltime Job – Überstunden nicht ausgeschlossen. Die Eltern müssen sich nicht nur individuell, sondern auch als Paar an die neue Situation anpassen. Damit sie der Realitätsschock nicht zu hart trifft, sollten sie sich darüber bewusst sein, dass ein Kind ihr Leben, vor allem ihr partnerschaftliches, in vielerlei Hinsicht verändern wird. Es warten viele neue Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Kinobesuche oder Treffen mit Freunden verlaufen nicht mehr spontan, sondern müssen organisiert werden. Das gemütliche Ausschlafen am Wochenende wird von Babyfläschchen und Wickeltisch abgelöst. Die eigenen Bedürfnisse müssen öfter zurück stehen. Freizeit wird zum Luxusgut. Statt von Unabhängigkeit wird das Leben nun von Verantwortung geprägt sein. Es wird noch wichtiger, dass man sich auf den Partner verlassen kann. Sozialkontakte können nicht mehr im gleichen Maße gepflegt werden wie zuvor, aus Freunden können da schnell Bekannte werden. Gleichzeitig öffnen sich jedoch Möglichkeiten wie Eltern-Kind-Gruppen oder Krabbelgruppen, um neue Kontakte zu ebenfalls frisch gebackenen Eltern zu knüpfen, mit denen sie sich über ihren Alltag, ihre Erfahrungen mit Kind austauschen können. Ein Kind bedeutet keinesfalls Isolation und völlige Abschottung von der Außenwelt. Konflikte häufen sich Wo vor der Geburt noch traute Zweisamkeit herrschte, tauchen nach der Geburt immer häufiger Konflikte auf. Durch ein Kind verändert sich die bisherige Alltagsroutine des Paares. Viele neue Aufgaben, die zu organisieren sind, stehen den Eltern bevor. Von der neuen Situation und all den Pflichten, die diese mit sich bringt, fühlen sie sich oft überfordert. Es kommt zu Streits, wenn es darum geht, wer nachts aufsteht, um das Baby zu versorgen, wer es füttert, wickelt oder andere Aufgaben übernimmt. Es hagelt Vorwürfe wie „Ständig bist du arbeiten, nie zu Hause. Und wenn du da bist, hilfst du nicht!“ – „Warum beschwerst du dich, andere Frauen schaffen Kindererziehung und Haushalt auch!“. Gleichberechtigung vs. traditionelle Rollenverteilung Gleichberechtigung von Mann und Frau, die faire Verteilung von Rechten und Pflichten in der Partnerschaft und die stärkere Beachtung der Vaterschaft sind Ideale, die die heutige Wertvorstellung kennzeichnen. Eine von der LBS in Auftrag gegebene Studie kam zu dem Ergebnis, dass es bei Übernahme der Elternschaft zu einer Traditionalisierung der Rollenverteilung kommt, welche den neu geschaffenen Idealen entgegensteht. Laut Studie stellt der Vater in traditioneller Weise den Brötchenverdiener, während die Hauptlast der Kinderversorgung und Haushaltsführung bei den Müttern liegt. Entlastung durch den Partner Von ihren Männern fühlen sie sich dabei allein gelassen, wenn diese viel Zeit bei der Arbeit verbringen. Obwohl es den Frauen durchaus bewusst ist, dass die berufliche Tätigkeit des Mannes zur finanziellen Sicherung der Familie essentiell ist, fällt es ihnen verständlicherweise schwer, die ständige Abwesenheit des Partners zu akzeptieren. So fühlen sich Mütter schnell als Alleinerziehende-trotz-Partner. Daher ist es wichtig, dass Männer ihren Frauen zur Entlastung soviel Unterstützung geben wie möglich. Oft reichen schon Kleinigkeiten im Haushalt, wie Müll rausbringen oder den Abwasch machen. Nehmen Sie Ihrer Partnerin auch Aufgaben bei der Versorgung des Kindes ab, sei es Wickeln oder nachts Aufstehen. Den Eltern muss bewusst sein, dass beide einen stressigen Tag haben. Eine Aufgabenteilung kann da hilfreich sein, damit es nicht ständig zu Auseinandersetzungen kommt, wer was erledigen soll. Kleine Auszeiten für Mütter Wichtig ist für Mütter auch, dass sie sich zwischendurch eine Auszeit gönnen. Versuchen Sie sich einen Nachmittag oder Abend in der Woche freizuschaufeln, an dem Ihr Partner, Familie, Freunde oder Babysitter auf das Kind aufpassen, damit Sie Zeit für sich haben. Verlust partnerschaftlicher Gemeinschaft Ist das Kind erstmal da, konzentriert sich die ganze Liebe und Zuneigung ausschließlich auf den Nachwuchs und nicht mehr auf den Partner. Zudem vereinnahmen die Bedürfnisse des Babys Mama und Papa so stark, dass deren gemeinsame Paarzeit selten wird. Fehlende Liebe und Zärtlichkeit sind der perfekte Nährboden von Frust und Wut, Zündstoff jeder Beziehungskrise nach der Geburt des Kindes. Wichtig ist daher, dass sich die Eltern eine kinderfreie Zeit nehmen, damit bei allem Familiendasein auch die Partnerschaft nicht zu kurz kommt. Eltern sollten sich nicht scheuen, wenn möglich, die Hilfe von Dritten anzunehmen, gerade wenn sie sich überfordert fühlen. Auch wenn Freizeit vor allem in den ersten Lebensjahren des Kindes für Eltern schon fast zum Fremdwort wird, so gibt es doch einen Lichtblick. Denn auch Kinder werden älter und je größer die Sprösslinge werden, desto mehr wächst auch der Freiraum der Eltern. Und doch ist es das größte Glück! Wenn Sie gemeinsam Probleme lösen können, füreinander da sind und zusammen Beziehungskrisen durch- und überstehen, werden Sie feststellen, dass ihre Beziehung durch das Kind gefestigt wird und Sie als Partner noch mehr zusammengeschweißt werden. Bei all den Schwierigkeiten, die das Familienleben mit sich bringt, sollten Sie nicht versäumen, die gemeinsame Zeit mit Ihrem Kind zu genießen. Schauen Sie zu wie es sich entwickelt, sich jeden Tag verändert, die Welt um sich herum entdeckt und stetig Neues lernt. Trotz Probleme, Krisen und auch Trennungen, sind sich doch alle Eltern in einem einig, dass es nichts Beglückenderes und Bereicherendes im Leben gibt als ein Kind.