Der Mythos der perfekten Mutter: Wege aus dem Impostor-Syndrom

Der Mythos der perfekten Mutter

Wege aus dem Mom-Impostor-Syndrom

Eine aktuelle Studie zeigt, dass insbesondere jüngere Mütter massiv unter dem Druck leiden, den eigenen und fremden Erwartungen gerecht zu werden. Egal, wie viel sie leisten, halten sie sich für schlechte Mütter und haben Angst, andere Menschen könnten es merken. Doch es gibt Wege aus der Perfektionsfalle.

Es ist tief verankert, das Ideal der guten Mutter: Aufopferungsvoll ist sie immer für ihr Kind da, liebt und unterstützt es bedingungslos. Sie hält die Familie zusammen, sorgt für ein gepflegtes, gemütliches Zuhause. Sie putzt, backt und bastelt, begegnet dem Nachwuchs auf Augenhöhe und fährt ihn zum Musikunterricht, vergisst auch nicht, die Katze zu bürsten oder die Glühbirne im Bad zu wechseln. Kurz: Sie ist perfekt.

Ist sie dabei auch noch erfolgreich im Beruf, umso besser! Natürlich darf das Kind unter ihrer Berufstätigkeit nicht leiden. Ist sie nicht berufstätig, wird ihr ein Mangel an Ambitionen vorgeworfen. Die amerikanische Kinderärztin Alison Escalante spricht in Psychology Today von einem „Shouldstorm“, der Eltern, vor allem aber Mütter trifft. Ach ja: Die moderne Version der perfekten Mutter findet selbstverständlich nebenbei noch Zeit für Fitness und Me-Time. Ein solches Ideal ist nicht zu erfüllen.

Mom-Impostor: Ein neues Phänomen

Viele Frauen versuchen es dennoch und merken kaum, dass sie dabei über ihre Grenzen gehen. Nicht einmal dann, wenn ihr Körper auf den Druck und dauernden Overload bereits mit Schlafstörungen und Bluthochdruck reagiert, schalten sie einen Gang zurück. Das Mom-Impostor-Syndrom beschreibt eine besondere Spielart mütterlicher Überforderung: Die Frauen fühlen sich als Versagerinnen. Sie halten sich für schlechte Mütter, sogar für Hochstaplerinnen, und haben Angst entlarvt zu werden. Umso mehr versuchen sie, immer perfekter zu werden.

Ursprünglich wurde das Impostor-Syndrom in der Arbeitswelt verortet. Zwei amerikanische Psychologinnen brachten den Begriff in die Welt, als sie sich Ende der Siebzigerjahre mit sehr erfolgreichen Frauen beschäftigten. Viele dieser Karrierefrauen glaubten, sie seien nicht besonders intelligent und ihre Leistungen würden von anderen überschätzt. Ihre Erfolge schrieben sie Glück und Zufall zu, ihre Misserfolge sich selbst. Impostor ist das englische Wort für Betrüger oder Hochstapler.

In Deutschland wird das Mom-Impostor-Syndrom erst seit relativ kurzer Zeit in der breiteren Öffentlichkeit thematisiert. Eine repräsentative Studie der Online-Therapieplattform HelloBetter vom Mai 2024 zeigt, dass über ein Drittel der Mütter unter 35 Jahren an den eigenen Fähigkeiten und der Eignung als Mutter zweifelt. In dieser Altersgruppe haben außerdem erschreckende 40% der Mütter unter 35 Angst, aufgrund ihrer hohen Belastung psychisch krank zu werden. Und über alle Generationen hinweg wird das Mutterglück jeder vierten Frau (22%) durch Selbstzweifel und die Sorge gestört, andere könnten merken, dass sie ihre Rolle nicht richtig erfüllt.

Andere Mütter – „allwissende Eltern“

„Was zu meiner Unsicherheit in den letzten Monaten enorm beigetragen hat?“, fragt die Journalistin Marie Jaster in einer Kolumne über das Syndrom. „Andere Mütter.“ Noch bevor ihr Kind überhaupt geboren war, habe sie von „allwissenden“ Eltern bereits erfahren, was sie als Mutter alles falsch machen könne. Nur ein Beispiel für den Druck, den Mütter auf Mütter ausüben.

In der oben genannten Studie machen Frauen zudem Social Media verantwortlich: Vierundzwanzig Prozent der Mütter unter 35 geben an, dass sie durch an sich als Elternteil zweifeln, weil sie sich im Netz mit anderen vergleichen. “Insta-Eltern” oder “Insta Moms” erhöhen demnach den ohnehin schon riesigen Druck noch weiter. Mutterschaft wird zum Wettbewerb. Auch wie sie selbst auf Social Media bewertet werden, belastet Frauen. 17 Prozent der Mütter unter 35 fühlen sich durch entsprechende Kommentare, sogenanntes “Mom Shaming”, verunsichert.

Raus aus der Perfektionsfalle – so geht es

Je nachdem, wie stark die Beeinträchtigung bereits ist, kann professionelle Hilfe sinnvoll sein. Auf jeden Fall ist die Überwindung des Syndroms ein Prozess, der Geduld erfordert. Ziel ist ein ausgeglichenes Leben als glückliche Mutter, die um ihre Kompetenz und Fähigkeiten weiß.

Schon das Wissen darum, mit Versagensgefühlen und Ängsten nicht allein zu sein, ist ein erster Schritt zur Überwindung des Syndroms. Ein zweiter: Das Bild der perfekten Mutter endgültig vergessen. Perfektion ist weder erreichbar noch nötig.

Grenzen setzen, Neinsagen, Aufgaben delegieren – das sind für alle Mütter wichtige Mittel, um Überforderung und drohenden Burnout zu vermeiden. Für diejenigen, die unter dem Impostor-Syndrom leiden, ist es dazu besonders hilfreich, eine Art Erfolgs-Tagebuch zu führen (statt weitere To-do-Listen zu schreiben). Darin wird im Detail festgehalten, was man tagsüber alles geschafft hat.

Auch Feedbackgespräche helfen dabei, die eigene Leistung anzuerkennen und als gut zu bewerten. Ein Lob anderer – „Heute hat meine Schwester zu mir gesagt, was ich für eine gute Mutter bin“ – darf und sollte aufgeschrieben werden. Positive Affirmation, eine bejahende und zustimmende Haltung, trägt ebenfalls dazu bei, den negativen Glaubenssatz „Ich bin keine gute Mutter“ zu vertreiben. Also nicht nur aufschreiben: „Heute hat meine Schwester zu mir gesagt, was ich für eine gute Mutter bin.“ Sondern auch: „Und sie hat recht!“

Über Kathrin Erasmus

Kathrin Erasmus ist Gründerin der Mindfluencer-Community und als Mental-Coachin spezialisiert auf Stressreduktion und Burnout-Prävention. Als Recruiterin hat sie jahrelang am seelischen und körperlichen Limit gearbeitet, bis sie an einem Burnout erkrankte. Aus dem Umgang mit ihrer Erkrankung und ihre Erfahrung mit seelischen Erkrankungen in einem kompetitiven Umfeld erwuchs ihre Mission: mentale Probleme zu entstigmatisieren und jedem Menschen einen Zugang zu psychischem Wohlbefinden zu ermöglichen.

Webseite: www.mindfluencer.info

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