Kinder und Schimpfwörter Der Schimpfteufel im Kindermund Daniel Flügel Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Kind nennt Sie plötzlich, ganz freudestrahlend: “Du Blödmann”. So bedenklich Eltern Schimpfwörter bei ihren Kindern auch finden, so normal sind dieselben doch in deren Wortschatz. Tatsächlich geschehen solche oder ähnliche Situationen gar nicht mal so selten. Denn ob Kinder nun ausgelassen herumtollen, sich lautstark um ein Spielzeug streiten oder erst recht, wenn sie später auf dem Schulhof beisammenstehen – Schimpfwörter gehören immer mit dazu. Diese Tatsache können Erwachsene manchmal nur schwer akzeptieren. Im Gegensatz zu den Kindern, besitzen wir bereits ein ausgeprägtes Moral- und Wertesystem, sodass uns Flüche und besonders Schimpfwörter längst nicht so unbefangen über die Lippen gehen. Dagegen weiß ein Kind noch verhältnismäßig wenig über die Bedeutung von Scham und Kränkung, weshalb es meist auch keine erkennbare Reue zeigt, wenn man es mit den Worten ermahnt: “Das sagt man nicht.” Warum gebrauchen Kinder Schimpfwörter? Sobald Kinder beginnen, mit dem komplexen Medium Sprache umzugehen, lernen sie auch ihren Unmut auf verbale Weise auszudrücken. Obwohl Erzieherinnen in Kitas natürlich auf einen sauberen Umgangston achten, schnappen Kinder oft bereits dort von anderen Schimpfwörter auf, die sie nachplappern. Also ganz unbekümmert bewerfen sie sich gegenseitig mit unschönen Kraftausdrücken, um damit vorrangig anderen Kitakindern zu imponieren. Zuhause, wo diese Ausdrücke normalerweise nicht zum Wortschatz zählen, merken die Kinder schnell, dass sie damit sogar ihre Eltern und Verwandten verwirren und provozieren können. Dass Kinder in diesem Alter nicht nur die üblichen tierischen Brachialausdrücke, sondern auch bereits vulgäre Schimpfwörter aus der Fäkal- und Sexualsprache benutzen, deren sinngemäße Bedeutung ihnen überhaupt gar nicht klar ist, kann bisweilen sehr befremdlich wirken. Für gewöhnlich ist dies jedoch nicht auf persönliche Erlebnisse, sondern ganz allgemein auf eine sprachliche Enttabuisierung in der Gesellschaft zurückzuführen. Solange nicht andere Auffälligkeiten im Verhalten des Kindes hinzukommen, besteht wenig Grund zu ernsthaften Sorgen. Was können Eltern tun? Wenn Kinder fluchen und schimpfen, geht es ihnen in erster Linie immer um Aufmerksamkeit. Dass sie ihr Gegenüber beleidigen, ist ihnen meistens gar nicht klar. Deshalb muss man ihnen in Ruhe und häufig mehrmals erklären, dass sie mit solchen Worten andere Menschen verletzen und, wenn möglich, was diese eigentlich bedeuten. Selbstverständlich muss man seinem Kind als Vorbild dienen und sein eigenes Vokabular überprüfen, wenn man ihm, zumindest zu Hause, die Benutzung von Schimpfwörtern verbietet. Natürlich ist es dabei nicht ausgeschlossen, dass das Kind nun verstärkt Kraftausdrücke gebraucht, sobald es das Haus verlassen hat. Es ist aber viel eher davon auszugehen, dass es so lernt, zu unterscheiden und sich von selbst diesen Hang abgewöhnt. Wichtig ist, dass man auf einen verbalen Ausbruch seines Kindes nicht auf die gleiche Weise reagiert, denn wenn Kinder ihre Eltern beschimpfen, geschieht dies meist im Affekt. Der spontane Wutausbruch, wenn zum Beispiel die Lieblingssendung des Kindes weggeschaltet wird, ist eine Reaktion auf eine als ungerecht empfundene Handlung der Autoritätsperson, aber kein persönlich gemeinter Angriff. Kinder müssen erst lernen, sich mit sachlichen Worten zu wehren und sinnvoll zu argumentieren. Ignoriert man also einmalige verbale Ausrutscher des Kindes, wird es vielleicht merken, dass dieses Mittel wirkungslos ist und mithin den Reiz daran verlieren. Grenzen für den Gebrauch von Schimpfwörtern finden und setzen Dennoch muss man natürlich klare Grenzen setzen. Das könnte damit beginnen, dass man das Kind fragt, was der Grund seines Schimpfens ist. So kann man gemeinsam auf eine Verständigungsebene gelangen, auf der Einsicht und elterliche Gefühle aber auch Grenzen vermittelt werden. Das Kind kann so lernen, dass seine Proteste Gehör finden, solange sie ohne Kraftausdrücke erhoben werden. Die negative Bedeutung von Schimpfwörtern kann ein Kind auch begreifen, wenn es einmal spielerisch in die Situation versetzt wird, selbst verbal beleidigt zu werden. Schnell wird es das nicht mehr lustig finden. Benutzt ein Kind einen unschönen Kraftausdruck, kann man ihm auch Alternativen oder eher ins Spaßige zielende Entschärfungen vorschlagen. Selbstverständlich darf die sprachliche Erziehung nicht ins Unnatürliche ausarten. Ein Kind muss auch Möglichkeiten haben, sich in verbal angemessener Weise zu ärgern, seine Wut herauslassen zu können. Wenn es jedoch auf jeden Frust mit einem Wutausbruch reagiert oder fast zwanghaft die ärgsten Kraftausdrücke gebraucht, sollte man den Weg zum Kinder- und Jugendarzt nicht scheuen. Letztendlich muss ein Kind lernen, dass Schimpfwörter nicht zum Erfolg führen, wozu es einerseits notwendig ist, Regelverletzungen zu ahnden und andererseits das Ausbleiben der Kraftausdrücke deutlich zu loben. Vor allem Geduld ist auf diesem Weg erforderlich.