Postnatale Depression – Wie Mütter nach der Geburt wieder in ihre Mitte finden

Postnatale Depression

Wie Mütter nach der Geburt wieder in ihre Mitte finden 

Etwa jede zehnte frischgebackene Mutter leidet nach der Geburt an depressiven Stimmungen. Integrativmediziner Benjamin Börner erläutert im Gespräch wie Mütter mit dieser Situation umgehen können.

Herr Börner, warum kommt es nach der Geburt oft zu Depressionen?

Benjamin Börner: „Nach der Geburt treten bei vielen Frauen plötzliche Veränderungen im Hormonhaushalt auf, insbesondere bei Hormonen wie Östrogen, Progesteron und den Schilddrüsenhormonen. Dieser abrupte Wechsel kann sich stark auf die Stimmung auswirken. Hinzu kommt häufig extremer Schlafmangel, der den Körper und die Psyche zusätzlich belastet. Auch die neue Lebenssituation kann überfordern: Die Verantwortung für ein Kind ist groß, und der Stress, sich an alles anzupassen, ist nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig erholt sich der Körper noch von der Schwangerschaft und der Geburt, was zusätzliche Erschöpfung verursacht. Das Sozialleben verändert sich ebenfalls, da frischgebackene Mütter oft weniger Kontakt zu Freunden und Familie haben. Besonders Alleinerziehende leiden unter fehlender Unterstützung durch einen Partner. Zudem verspüren viele Mütter den Druck, alles perfekt machen zu wollen, was zusätzlichen Stress erzeugt. Frauen, die bereits vorher mit Depressionen zu kämpfen hatten, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, auch nach der Geburt betroffen zu sein. Hinzu kommt die natürliche Sorge um das Wohlergehen des Kindes und die Angst vor der neuen Verantwortung.“

Was können die Frauen unternehmen, um dem entgegenzuwirken?

Benjamin Börner: „Eine gesunde und ausgewogene Ernährung während der Schwangerschaft kann bereits präventiv wirken. Auch Nahrungsergänzungsmittel oder spezielle Infusionen können sinnvoll sein, um den Körper zu unterstützen. Bewegung ist ein weiterer wichtiger Faktor – sowohl während als auch nach der Schwangerschaft. Zudem sollten Mütter nicht zögern, Hilfe von Freunden, Familie oder dem Partner anzunehmen. Es ist vollkommen in Ordnung, Unterstützung zu benötigen. Wer das Gefühl hat, alleine nicht zurechtzukommen, sollte therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Selbstfürsorge spielt ebenfalls eine zentrale Rolle: Ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung helfen, den Körper und auch die psychische Konstitution zu stärken. Bewusste Pausen sind wichtig, um sich von den Strapazen zu erholen. Der Austausch mit anderen Müttern kann ebenfalls hilfreich sein – allerdings nur, wenn er keinen zusätzlichen Druck aufbaut.“

Sie erwähnten die Bedeutung der Ernährung. Warum hängen Ernährung und Stimmung so eng zusammen?

Benjamin Börner: „Ein Großteil unseres Serotonins, des sogenannten „Glückshormons“, wird im Darm gebildet, insbesondere in den sogenannten Peyerschen Plaques. Wenn der Darm entzündet oder anderweitig gestört ist, kann die Serotoninbildung verringert sein, was sich negativ auf die Stimmung auswirkt. Dies zeigt, wie eng der Darm und das Gehirn über die sogenannte Darm-Hirn-Achse, die unter anderem durch den Vagusnerv gesteuert wird, verbunden sind. Eine antientzündliche und darmfreundliche Ernährung ist daher essenziell. Das bedeutet, dass Lebensmittel wie Gluten, Zucker, Hefe, Kuhmilchprodukte und Schweinefleisch vermieden werden sollten. Stattdessen empfehle ich regionale, saisonale und biologische Produkte.“

Was sind Ihre Top 3 Lebensmittel, die täglich auf dem Speiseplan stehen sollten?

Benjamin Börner: „Obst und Gemüse sind die Basis jeder gesunden Ernährung. Besonders wilde Heidelbeeren und Gerstengrassaftpulver sind hervorzuheben, da sie viele wertvolle Nährstoffe enthalten. Ballaststoffe, zum Beispiel aus Haferflocken, sind ebenfalls wichtig, da sie die Verdauung unterstützen und lange satt machen. Zudem sollten hochwertige Eiweiße, etwa aus Fleisch, Fisch, Eiern oder Hülsenfrüchten, nicht fehlen. Gerade nach der Schwangerschaft ist Eiweiß wichtig, um den Körper bei der Regeneration zu unterstützen.“

Viele Mütter haben im Wochenbett wenig Zeit für aufwändige Mahlzeiten. Haben Sie Tipps für schnelle Gerichte?

Benjamin Börner: „Meal Prepping ist eine großartige Methode, um Zeit zu sparen. Es hilft, Mahlzeiten vorzubereiten, die dann nur noch aufgewärmt werden müssen. Auch gesunde Snacks sollten immer griffbereit sein, um spontane Heißhungerattacken gesund zu stillen. Wenn möglich, ist es sinnvoll, Unterstützung beim Einkaufen oder Kochen in Anspruch zu nehmen. Basics wie Vollkornreis, Haferflocken oder Leinsamen sollten stets im Haus sein, um schnell einfache Mahlzeiten zaubern zu können. Beispiele für schnelle Gerichte wären ein Wassermelone-Feta-Salat, Omeletts mit Gemüse, Salate mit Fleisch oder Hülsenfrüchten oder Chia-Pudding. Solche Gerichte sind nahrhaft und lassen sich schnell zubereiten.“

Sie sprechen oft von positiver Selbstwahrnehmung. Was genau verstehen Sie darunter?

Benjamin Börner: „Eine positive Selbstwahrnehmung bedeutet, dass man sich selbst und seine Stärken sowie Schwächen akzeptiert. Es geht darum, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu setzen und das eigene Selbstwertgefühl zu stärken. Wichtig ist, dass man den eigenen Wert nicht nur von äußeren Erfolgen oder Misserfolgen abhängig macht. Eine realistische Selbsteinschätzung ist dabei entscheidend: Wir sollten unsere Fähigkeiten und auch die Grenzen ehrlich bewerten können. Ein weiterer Punkt ist, nicht zu streng mit sich selbst zu sein  – Fehler und Rückschläge gehören zum Leben dazu. Perfektionismus abzulegen und bewusst aufbauende, positive Gedanken zu fördern, kann sehr entlastend wirken. Frauen, die frisch in ihrer Mutterrolle sind, sollten lernen, so mit sich selbst zu sprechen, wie sie es mit ihrer besten Freundin tun würden – liebevoll und verständnisvoll.“

Haben Sie konkrete Tipps, wie sich Mütter emotional stabilisieren können?

Benjamin Börner: „Es gibt verschiedene Methoden, die dabei helfen können, emotional stabil zu bleiben. Atemübungen oder Meditation sind sehr wirkungsvoll, ebenso wie Achtsamkeitsübungen oder regelmäßige Bewegung. Auch kleine Auszeiten wie ein warmes Bad oder ein Spaziergang an der frischen Luft können Wunder wirken. Nahrungsergänzungsmittel oder Infusionen können ebenfalls dazu beitragen, den Körper auf biochemischer Ebene zu stabilisieren.“

Und was, wenn an einem Tag wirklich alles grau erscheint und der Stress übermächtig wird? Haben Sie einen SOS-Tipp?

Benjamin Börner: „In solchen Momenten hilft es oft, einfach rauszugehen und sich zu bewegen – sei es ein Spaziergang, eine Fahrradtour oder eine kleine Joggingrunde. Am besten in der Natur, denn sie hat eine nachweislich stimmungsaufhellende Wirkung. Auch ein Treffen mit Freunden oder anderen Gleichgesinnten kann helfen, den Kopf frei zu bekommen und sich emotional zu entlasten. Wichtig ist, sich nicht zu isolieren, sondern den Kontakt zu anderen zu suchen.“


Benjamin Börner ist ein langjährig erfahrener Integrativmediziner und Gründer des Börner Lebenswerk in Tübingen. Dort bringt er Elemente der klassischen Schulmedizin mit biologischer Medizin und Naturheilkunde zusammen. Neben der Mitochondrientherapie zählen unter anderem Behandlungen von Erschöpfungssyndrom und Burn-out, Darmregeneration, Ernährungsmedizin, Osteopathie, Toxikologie und Infusionstherapien zum holistischen Konzept des Lebenswerks. Weitere Informationen unter boerner-lebenswerk.com.  

Verwandte Artikel

Begin typing your search term above and press enter to search. Press ESC to cancel.

Zurück nach oben