Der Prozess der Entbindung So verläuft eine Geburt Anna Reis Die Geburt eines Kindes ist eines der faszinierendsten und eines der geheimnisvollsten Ereignisse von Mutter Natur. Ein neuer Mensch kommt auf die Welt, lernt atmen und hat ein ganzes Leben vor sich. Bevor aber das Kind die Welt erblickt, müssen sowohl die Mutter als auch das Baby sich gewaltigen kraftraubenden Anstrengungen unterziehen. Mit dem Einsetzen der ersten Wehen überrollt viele werdende Mütter die Angst, mit den Belastungen der Geburt nicht standhalten zu können. Doch der Gedanke, nur in wenigen Stunden ein lebendiges kleines Wesen, das durch Sie zur Welt kommt, in den Armen zu halten, kann wieder Mut und Zuversicht zurückgeben. Was den Geburtsvorgang auslöst, ist bis heute noch nicht endgültig nachgewiesen. Es kann das Kind sein, das sich vollkommen entwickelt hat und jetzt keinen Platz im Mutterleib hat. Der Befehl kann auch von Seiten des mütterlichen Organismus kommen. Eins steht fest, nach ungefähr zehn Monaten nach der Befruchtung der Eizelle kommt ein neues Wesen zur Welt. Eröffnungsphase Das erste Stadium der Geburt nennt man Eröffnungsphase, die mit den ersten unregelmäßigen Geburtswehen mit einer Frequenz von 2–3 Wehen in 30 Minuten beginnt. Im Verlauf der Eröffnungsphase erhöht sich die Wehenfrequenz langsam bis auf 2–3 Wehen in 10 Minuten. Auch der Rhythmus wird regelmäßiger. Die Dauer der Wehen in der Eröffnungsphase beträgt 30–60 Sekunden. Zwischen den Wehen haben Sie die Gelegenheit, sich zu erholen. Dabei ist das richtige Atmen sehr wichtig und hilfreich. Versuchen Sie in die Wehe hinein zu atmen, weil so der Sauerstoff leichter zu dem Kind kommt und die Geburt beschleunigt. Diese erste Geburtsphase endet mit der vollständigen Eröffnung des Muttermundes. Bei den Erstgebärenden dauert diese Phase in der Regel sechs bis zwölf Stunden. Austreibungsphase Die Austreibungsphase beginnt mit der vollständigen Eröffnung des Muttermundes (ca. 10 cm) und reicht bis zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes. In dieser Phase ändert sich der Charakter der Wehen erneut. Es kommt zu einer Frequenz von 6–7 Wehen in 15 Minuten. Wenn das Köpfchen des Kindes bis auf den Beckenboden heruntergekommen ist, fängt man an zu pressen. Diese Presswehen können sehr kraftraubend sein, aber keine Angst, die Hebamme bzw. der Arzt wird Ihnen sagen wann Sie pressen und wann Sie sich entspannen müssen. Eine richtige Atemtechnik kann dabei sehr hilfreich sein. Manchmal kann der Dammschnitt notwendig sein. Dieser ist erforderlich, wenn es durch den Kopf zu heftiger Dehnung kommt und in dem Dammbereich ein Einreißen droht. Durch den „Dammschutz“ versucht die Hebamme, ein Einreißen zu verhindern. Dabei wird einmal das Köpfchen gehalten und geführt, damit es sich nicht zu schnell nach hinten beugt und zu schnell austritt. So versucht die Hebamme die Geschwindigkeit des Durchtritts zu kontrollieren. Als erstes wird der Kopf des Kindes geboren. Die Hebamme muss ihn vorsichtig drehen und senken, damit die vordere Schulter geboren werden kann. Als nächstes kommt das ganze Baby schnell heraus. Das Neugeborene wird auf den Bauch der Mutter gelegt und dort angenabelt. Bei den Erstgebärenden dauert diese Phase 30 bis 40 Minuten. Nachgeburtsphase Nach einer Viertelstunde nach der Geburt des Kindes beginnen die Wehen erneut und die Plazenta wird geboren. Diese Phase wird Nachgeburtsphase genannt. In dieser Phase wird die Gebärmutter vollständig entleert, d.h. neben Plazenta werden auch Nabelschnur und Eihäute ausgestoßen. Diese Wehen sind im Vergleich zu den Geburtswehen kaum zu spüren. Es kommen noch weitere Prozeduren, denen Sie aber wahrscheinlich keine Beachtung mehr geben werden, weil Sie zu erschöpft werden und das neue Mutterglück Sie alles vergessen lässt. Wie geht es weiter? Natürlich fühlt man sich nach einer Geburt erschöpft, manchmal beginnen die Mütter nach der Anstrengung der Geburt sogar zu zittern. Das Zittern ist aber nach ungefähr einer halben Stunde vorüber. Falls die Mutter in der Lage ist zu stillen, kann sie es sofort nach der ersten Untersuchung des Neugeborenen durch den Arzt oder die Hebamme machen. Das Stillen fördert sogar die Milchproduktion. Der erste Kontakt mit dem Kind lässt alle Anstrengungen der Geburt vergessen. Später wird Ihr Baby nochmals gründlich untersucht, gemessen, gewogen und gebadet. Es wird ein Identifizierungsmerkmal am Kind befestigt, damit es zu keiner Verwechslung kommt. Die Mutter wird auch untersucht und wenn alles in Ordnung ist, darf die junge Familie ganz für sich sein, damit sie sich an die neue Situation gewöhnt und das Glück genießen kann. Rooming-in In vielen Kliniken ist es üblich, dass die Mutter und das Baby in einem Zimmer untergebracht werden. In manchen Kliniken bleibt das Kind auch über Nacht bei der Mutter. Viele Kliniken bieten aber Rooming-in nur tagsüber an, so dass das Baby nachts auf der Säuglingsstation bleibt, damit die Mutter durchschlafen kann. Der Vorteil ist beim Rooming-in, dass Mutter und Kind möglichst viel zusammen sind und sich so schnell eine intensive Beziehung zwischen Mutter und Kind aufbaut.