Als Vater bei der Geburt

Die Nebenrolle seines Lebens

Als Vater bei der Geburt des Kindes dabei gewesen zu sein, beschreiben Männer gern als bedeutendstes Ereignis Ihres Lebens. Davon abgesehen sind die Aufgaben, die Väter bei der Geburt übernehmen können, eher überschaubar.

Statistisch betrachtet zeichnet sich ein deutlicher Trend ab. Standen sie vor 30 Jahren noch in Scharen nervös auf den Krankenhausfluren, sind mittlerweile 90 Prozent aller Männer im deutschsprachigen Raum bei der Geburt im Kreißsaal anwesend.

Die hohe Anwesenheitsquote von Vätern im Kreißsaal täuscht ein wenig darüber hinweg, dass es nach wie vor unterschiedliche Positionen zu diesem Thema gibt. So hat etwa Michel Odent, ein Vertreter der so genannten sanften Geburt, auf seine Erfahrung hingewiesen, dass Entbindungen oft erst voran kamen, wenn sich die Väter eine Pause gönnten und den Kreißsaal verließen.

Die meisten Frauen wünschen sich jedoch die Anwesenheit ihres Partners. Eine aktive Beteiligung der Väter am Geschehen ergibt sich daraus aber nicht zwangsläufig, was auch daran liegt, dass das in Frage kommende Aufgabenfeld von häufig frustrierender Überschaubarkeit ist.


„Die Ewigkeit ist lang, besonders gegen Ende.“

Woody Allen

Es gibt für Väter durchaus Möglichkeiten, sich während der Geburt nützlich zu machen. Die wesentliche Begleitung der Entbindung bleibt aber wohl immer professionellen Kräften vorbehalten. Das durch diese relative Untätigkeit verstärkte Gefühl der Hilflosigkeit überfordert viele Väter. Zumal sie auch die Wucht des eigenen Erlebens während der Geburt weitgehend mit sich allein ausmachen müssen.

Es gab viel zu tun, ich stand dabei

Viele Männer berichten von der Geburt ihres ersten Kindes als dem größten Ereignis, dem sie je beigewohnt hätten. Ob sie wirklich all seine Aspekte in bester Erinnerung behalten, geht aus solchen Aussagen nicht hervor. Die emotionale Verbundenheit, die das gemeinsame Durchleben der Geburt für die Partner schafft, ist nur ein Aspekt. Die physischen Details der Geburt sind ein anderer, der auch negative Auswirkungen auf die Partnerschaft, z.B. auf die gemeinsame Sexualität, haben kann.

Es kann also nicht schaden, gemeinsam zu überlegen, wie beide Partner sich den Ablauf der Geburt vorstellen. Für den werdenden Vater ist es überdies hilfreich mit der Partnerin und der Hebamme abzuklären, welche Aufgaben er bei der Geburt übernehmen kann. Bei aller Rücksichtnahme auf die wogende Gefühlswelt der werdenden Väter: Die Hauptrollen bei der Geburt sind anderweitig vergeben. Dementsprechend sollten Männer die Wünsche der Schwangeren beachten und respektieren, anstatt auf eigene Ansprüche zu pochen.

Es gibt im Vorfeld einer Geburt genug organisatorische Dinge zu regeln, die man der Partnerin abnehmen kann. Gewiss sollte man alle Abläufe gemeinsam besprechen, sich aber auch bewusst machen, dass dem gemeinsamen Erleben Grenzen gesetzt sind, ab denen man zur Belastung des jeweils anderen wird.

Vater bei der Geburt: Im Land des Hechelns

Viele Männer nehmen an den geburtsvorbereitenden Kursen ihrer schwangeren Partnerin teil, was sicherlich in manch praktischer Hinsicht von Vorteil ist. Letztlich bleiben dabei aber naturgemäß viele Fragen auf der Strecke, die für die Findung der Vaterrolle von Belang sind. Es kann daher gerade für die Väter hilfreich sein, in der Geburtsvorbereitung gezielt mit anderen Männern in den Dialog zu treten.

In vielen archaischen Kulturen wurde dem notwendigen Erlernen der neuen Rolle Rechnung getragen, indem werdende Väter bei der Geburt ihres Kindes und unmittelbar danach bestimmten rituellen Handlungen unterworfen wurden. Die Anthropologie nennt diese Formen des Männerkindbetts Couvade. Sie reichen von Fastenregeln und Arbeitsverboten bis zur rituellen Nachahmung des Geburtsschmerzes, mit deren Hilfe Männer ihre neue Rolle begreifen lernen sollten.

Mit heutigem Arbeitsrecht sind derartige Bräuche wohl nicht vereinbar. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich nicht auch moderne Männer intensiv mit ihrer Vaterrolle beschäftigen würden. Eine Auseinandersetzung, die oft schon weit vor der Geburt des Kindes beginnt. So kennt die Psychologie das Couvade-Syndrom bei werdenden Vätern während der Schwangerschaft ihrer Partnerin. Es kann sich in Erschöpfung, Gefühlsschwankungen, Rückenschmerzen und nicht zuletzt deutlicher Gewichtszunahme äußern.

Auch Väter verändern sich mit der Geburt

Nicht alle werdenden Väter vollziehen den Schritt bis zur äußerlichen Anpassung an die schwangere Partnerin. Dennoch durchlaufen sie doch einen ebenso tief greifenden Prozess emotionaler Neuausrichtung. Es ist schwer, ein dem körperlichen Empfinden der Schwangeren gleichberechtigtes Gefühl für das werdende Leben zu entwickeln.

Damit sich die Schwangerschaft nicht zu einem als Mysterium empfundenen Vorgang im Bauch der Partnerin abspielt, sollten sich Männer stets in die Stadien ihres Verlaufs einbinden lassen. Reden und Zuhören stärkt nicht zuletzt auch das gemeinsame Empfinden der Eltern.

Die Frage, wie und in welchen Bereichen sich das eigene Leben durch die neue Rolle verändert, lässt sich nicht über Nacht lösen. Daher sollten sich Väter möglichst früh mit ihrer Rolle während der Geburt auseinander gesetzt haben, nicht nur um selbst gewappnet, sondern auch der Partnerin, wenn der Ernstfall eintritt, eine wirksame Stütze zu sein.

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