Geburtsmethoden Kaisergeburt: Zwischen natürlicher Geburt und Kaiserschnitt Heidrun Berger Ein OP-Tuch, das für einen Moment den Blick frei gibt auf das, was bisher verborgen blieb: Das ist der Kern einer neuen Geburtsmethode, der Kaisergeburt. Der australische Gynäkologe Nick Fisk praktiziert in England seit Jahren den „natürlichen Kaiserschnitt“. Er möchte damit Eltern und Kind zu einem schöneren Geburtserlebnis verhelfen. Professor Dr. Wolfgang Henrich holte die Idee 2012 an die Berliner Charité und gab ihr den Namen Kaisergeburt. Dafür erntet er Dankbarkeit bei den Eltern und Kritik von seinen Kollegen. Deren Ablauf entspricht dem des Kaiserschnitts – bis auf wenige Details. Das OP-Tuch, das den Bauch vor den Blicken der Eltern abschirmt, wird zum Zeitpunkt der Geburt gesenkt: Die Eltern können zuschauen, wie ihr Kind aus dem Bauch gehoben wird. „Das war schön!“, schwärmt die 44-jährige Britta, die an der Charité mit dieser Methode ihre Tochter bekam. Von der Geburt ihres zehn Jahre älteren Sohns kann sie das nicht sagen. Damals war das erste, was sie von ihm sah, ein sauber eingepacktes Bündel, das die Hebamme viele Minuten nach der Geburt neben ihren Kopf legte. Bei ihrer Tochter war es anders. Sie wurde ihr sofort – nachdem der Papa sie abgenabelt hatte – nackt und blutig wie sie war auf die Brust gelegt. Wie bei einer normalen Geburt. Babys erste intensiver Kontakt Erst nach diesem ersten Kontakt wurde das Baby von der Hebamme versorgt und das OP-Tuch wieder als Sichtschutz angehoben. Die Operation war schließlich noch nicht zu Ende. „Ich hatte das Gefühl, aktiver dabei zu sein als vor zehn Jahren“, sagt die zweifache Mutter. Befürworter der Kaisergeburt sprechen von positiven Auswirkungen für das Bonding, die Eltern-Kind-Beziehung. Und dass die Mütter eher von dieser Geburt erzählen würden, als von einem Kaiserschnitt. Was logisch ist, denn sie haben ja mehr davon gesehen. Die Väter profitieren, weil sie die Nabelschnur durchtrennen dürfen und ebenfalls sehen konnten, wie ihr Kind ans Licht der Welt kam. An der Charité wird die Kaisergeburt in Absprache mit den Eltern praktiziert, in England ist sie Gang und Gebe. Sie zieht weder zusätzliche Kosten noch Risiken nach sich. Es bedarf lediglich einiger, leicht zu bewältigender Änderungen während einer OP. Kaiserschnitt nur bei medizinischer Indikation Keine Neuerung ohne Kritik. Einige Ärzte und Hebammen stehen der Kaisergeburt skeptisch gegenüber. Sie befürchten, noch mehr Frauen könnten sich durch das Versprechen „sanfter Kaiserschnitt“ dafür entscheiden – obwohl keine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Sie warnen vor einer Verharmlosung der Operation, die ein Kaiserschnitt trotz aller Routine nun einmal ist. Befürworter der Kaisergeburt halten dagegen: Wer unbedingt einen Wunschkaiserschnitt will, mache das sowieso. Kritisiert wird auch, dass man nicht wisse, was das Gesehene bei den Eltern bewirkt? Können sie es positiv einordnen oder ist es eher ein Schockerlebnis? Auch Britta gibt zu bedenken: „Wer kein Blut sehen kann und eher zart besaitet ist, sollte sich nicht dafür entscheiden.“