Wenn Eltern nicht mehr weiter wissen Ich glaub‘, ich geb‘ mein Kind ins Heim… Diana Thomas Der Gedanke, sein Kind in einem Heim unterbringen zu wollen, ist bei Eltern mit großem Schamgefühl verbunden. Manchmal scheint es dennoch die Lösung aller Probleme zu sein. Doch zuvor müssen alle möglichen Alternativen ausgelotet werden. Er ist aggressiv, hat unkontrollierte Wutausbrüche und ist nicht zu bändigen. Er ist 15 Jahre alt, gerät in Schlägereien, raucht, trinkt und nimmt Drogen. In der Schule war er schon lange nicht mehr. Nennen wir ihn Kevin. Kevin lebt in einem hübschen Haus am Stadtrand, in der Familie herrschen klare Strukturen und es gibt keine finanziellen Schwierigkeiten. Und doch ist Kevin das Problemkind der Familie. Oder wie man früher gesagt hat, ein schwer erziehbares Kind. Er terrorisiert seine Mitmenschen, hält sich an keine Regeln und lässt nicht mit sich reden. Die Eltern sind überfordert und wissen weder ein noch aus. Wird das Familienleben besser, wenn Kevin nicht mehr daran teilnimmt?, diese Frage stellt sich den Eltern immer häufiger. Wo gibt es Hilfe? Zum Beispiel, wenn Kevin mal wieder ohne Bescheid zu sagen nachts nicht nach Hause kommt. Oder die Polizei plötzlich vor der Tür steht, weil er beim Ladendiebstahl erwischt wurde. Wer hilft in solchen Krisen weiter? Wo gibt es Ansprechpartner, mit denen Lösungen erarbeitet werden können? Es gibt Tage, da möchten die gestressten Eltern ihr Terror-Kind am liebsten nehmen, zum Jugendamt bringen und mit einem Schlag alle Sorgen los werden. Doch so einfach ist das natürlich nicht: In der Regel prüft die Behörde erst einmal die Lage und verweist zur Erziehungsberatungsstelle. Dort gibt es reichlich Anleitungen zur Selbsthilfe und möglicherweise kommt stundenweise ein Sozialarbeiter ins Haus. Bei Kevin scheint das alles wenig zu nützen. Er zeigt sich zwar reumütig und verständnisvoll aber nach wenigen Wochen wird’s nur noch schlimmer. Er klaut seinen Eltern Geld aus dem Portmonee; sie verstecken ihre Sachen vor ihm, aber er schnüffelt und sucht, bis er das gefunden hat, was er haben will. Dann verschwindet er plötzlich, geht nicht an sein Handy, schaltet es irgendwann sogar aus. Diebstahl und Verschwinden bei der Polizei melden Es ist Wochenende, beim Jugendamt ist niemand zu erreichen. Kevins Eltern schalten die Polizei ein, stellen eine Vermisstenanzeige. Nichts passiert, Sonntagabend steht er wieder vor der Tür, sagt, er sei bei Kumpels gewesen und habe es einfach vergessen, Bescheid zu sagen. Wieder fehlt Geld. Diesmal hat Kevin das Sparschwein von seinem kleinen Bruder geknackt. Vorwürfe prallen an ihm ab. Der nächste Termin beim Amt folgt kurz darauf und die Beamtin rät den Eltern, Strafanzeige zu stellen. Gegen ihren eigenen Sohn? Der, wenn er will, auch so liebenswürdig, charmant und hilfsbereit sein kann? Vielleicht, hofft die Mutter, wird alles irgendwann besser, vielleicht braucht Kevin mehr Zeit. Die Vorfälle häufen sich trotzdem. Kevin wird immer häufiger ausfallend und schlägt irgendwann sogar nach ihr. Der Vater flüchtet sich ins Büro und macht regelmäßig Überstunden. Psychische Probleme als Ursache Einen Grund für das Verhalten ihres Sohnes können die Eltern nicht finden. Aber es scheint auf größere Probleme, die er mit sich trägt, zu verweisen. Nach Angaben des Robert Koch Instituts entwickeln rund 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen psychische Probleme und brauchen psychologische Beratung. Mindestens fünf Prozent benötigen psychotherapeutische Behandlung. Als sich die Familie dazu entschließt, stärkeren Druck beim Jugendamt auszuüben, ist Kevins Mutter bereits in Therapie bei einem Familienpsychologen. Eigentlich auch eine gute Anlaufstelle für Kevin, aber der ist dort nie hingegangen, hing lieber mit seinen Kumpels in der Nähe vom Bahnhof ab und trank bereits mittags sein erstes Bier. 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Sie informieren sich über weitere Möglichkeiten, die ihrer Familie helfen könnten. Die Geschichte von Kevin ist fiktiv, es gibt aber zahlreiche Familien, die einen Terror Zuhause erleben, der weit über die pubertären Meinungsverschiedenheiten und Krisen hinaus gehen. Kevins Eltern sind mit den Nerven am Ende, mit der Erziehung ihres Sohnes überfordert. Aber sie wollen ihr Kind nicht aufgeben, wollen, dass er mal mit beiden Beinen fest im Leben steht und einer glücklichen Zukunft entgegen sehen kann. Kostenlose Hotline für Väter und Mütter Der Gedanke, sein Kind in einem Heim unterbringen zu wollen, beinhaltet für die Eltern das Gefühl versagt zu haben, sie schämen sich und es scheint trotzdem die Lösung aller Probleme zu sein. Doch kein Kind wird einfach so in ein Heim gesteckt. Es müssen erst alle Alternativen ausgelotet werden, bevor eine solche Möglichkeit in Betracht gezogen wird. Bevor ein Kind ins Heim kommt, muss viel geschehen und alle möglichen Alternativen ausgelotet werden. Es gibt diverse Hilfsangebote, an die sich Eltern zusätzlich zum Jugendamt wenden können: Dazu gehören karitative, kirchliche und gemeinnützige Beratungsstellen, Psychotherapeuten und Familienhilfen. Auch der Kinderschutzbund ist eine gute Adresse, um Unterstützung zu bekommen. Neben den Kinder- und Jugendtelefonen gibt es auch eine kostenfreie Hotline für Eltern, die von geschulten Mitarbeitern besetzt ist (0800 111 0 550). Enger Kontakt zu den Eltern Wenn es dann doch darauf hinaus läuft, dass sich die Familie zunächst trennt, ist die Arbeit damit nicht beendet: Die Erzieher und Sozialpädagogen der Heime stehen in engem Kontakt zu den Eltern. Denn der Aufenthalt in einer solchen Einrichtung soll letztendlich dazu führen, dass sich Eltern und Kind wieder zusammenfinden. Gute Einrichtungen bieten beispielsweise regelmäßige Hilfeplangespräche über die Entwicklung des Jugendlichen an. Im Jahr 2005 waren in Deutschland 59.407 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien untergebracht, 72.382 Jungen und Mädchen lebten im Heim. Die Zahl der Heimkinder sinkt seit einigen Jahren, was auch mit den Kosten für eine solche Unterbringung zu tun hat. Einige Heimleiter warnen jedoch davor, nur den finanziellen Aufwand zu betrachten, denn vielen Kindern und Jugendlichen könnte besser geholfen werden, wenn sie früher eingewiesen würden.