Wohnen im Alter Betreutes Wohnen – Eine Suche Krystel Klinkert Viele Senioren wollen so lange wie möglich in der eigenen Wohnung leben. Doch nicht immer ist das möglich wie auch beim Ehepaar O. Deren Tochter berichtet vom Suchen und Finden einer geeigneten Unterbringung für ihre Eltern. Seid nett zu euren Kindern, sie suchen euch das Altenheim aus! – ein Spruch auf einer Postkarte, der viele zum Schmunzeln bringt. Doch wie ist es, wenn es tatsächlich darum geht, ein Heim oder eine andere passende Unterbringung für die hilfsbedürftigen Eltern zu finden? Zu dem Kreis derer, die sich mit diesem Problem auseinandersetzen müssen, gehört auch Barbara O. Sie erzählt von ihren Eindrücken und Erfahrungen, die sie während der Suche gemacht hat. Seit mehreren Monaten kümmern sich Barbara O. und ihre beiden Brüder mittlerweile um eine geeignete Unterbringung für ihre Eltern. Das Ehepaar sowie zwei der drei Kinder leben in einer 270.000 Einwohner starken Großstadt in Nordrhein-Westfalen. Die Mutter (77) ist an Alzheimer erkrankt, der Vater (74) ist zwar sowohl geistig als auch körperlich noch fit, jedoch durch die Pflege seiner Frau völlig entkräftet. Der Vorschlag in eine seniorengerechte Einrichtung umzuziehen, stieß bei den Eltern zunächst auf Widerwillen. Wie viele Senioren wollten auch sie ihren Lebensabend in der eigenen Wohnung verbringen. Diagnose Alzheimer 2006 machten sich bei Frau O. die ersten Anzeichen von Alzheimer bemerkbar. Trotz Drängen der Kinder war das Ehepaar anfangs zu stolz, Hilfe anzunehmen. „Beide meinten immer, es ginge noch“, beschreibt Barbara O. die damalige Situation. Es war ein langer Weg, bis endlich fremde Hilfe zugelassen wurde. Dreimal in der Woche wird Frau O. nun von einem ambulanten Pflegedienst im Rahmen der Pflegestufe I betreut. Außerdem erhält das Ehepaar Essen auf Rädern. Schon damals spielten die Geschwister mit dem Gedanken, ihre Eltern in einem Seniorenstift unterzubringen. Auf die Frage, ob ihre Eltern anfangs für oder gegen einen Umzug waren, antwortet Barbara O. mit einem entschiedenen „Dagegen. Definitiv.“ Ihre Mutter habe geweint und hatte Angst. Der Besichtigungstermin des Wohnstifts musste abgesagt werden, die Eltern weigerten sich. So blieb es zunächst bei der ambulanten Pflege. Rollentausch Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Der Zustand der Mutter verschlechterte sich. Mittlerweile bestehen die Kinder auf einen Umzug. Zu groß ist die Sorge um das gesundheitliche Befinden der Eltern. Ihr Vater, der seine demente Frau versorgt, zeigt sich einsichtig. Die momentane Situation belastet und überfordert ihn. „Er vergisst beispielsweise meiner Mutter Wasser zum Trinken hinzustellen.“ Barbara O. kann gut nachvollziehen, dass ihre Eltern lieber in ihrer eigenen Wohnung, ihrer vertrauten Umgebung, bleiben wollen. „Sie wohnen dort seit 40 Jahren und müssen einen Teil ihres Lebens aufgeben und sind deshalb natürlich traurig, aber so wie es jetzt ist, geht es nun einmal nicht mehr.“ Wenn die Eltern nicht mehr allein zurecht kommen, werden die bestehenden Verhältnisse umgekehrt. Plötzlich sind es die Kinder, die sich um die Eltern kümmern. „Es findet praktisch ein Rollentausch statt“, beschreibt Barbaras Freund, Gero S., die Situation. So wie die Eltern sich früher darum bemüht haben, dass ihre Kinder stets gut aufgehoben sind, so will man jetzt als Kind die Eltern in guten Händen wissen, was jedoch immer mit einem gewissen Unbehagen verbunden ist. Wohin mit den Eltern? Die Geschwister wollten den Umzug der Eltern in eine passende Einrichtung so schnell wie möglich veranlassen, aus Angst, dass die Mutter in ein Pflegeheim muss und somit von ihrem Mann getrennt wäre. Ein Altenheim wurde von Anfang an unter anderem wegen der isolierten Zimmer ausgeschlossen. Um den Eltern ein gemeinsames Zusammenleben in einer seniorengerechten Wohnung zu ermöglichen, wendeten sich die Geschwister zunächst an eine Einrichtung des Betreuten Wohnens, wo allerdings keine freien Wohnungen verfügbar waren. Man leitete die Familie jedoch an eine 2007 eröffnete Einrichtung weiter, die auf Demenzkranke spezialisiert ist. Dort werden nicht nur demente Senioren, sondern auch deren Angehörige untergebracht. Für die Eltern von Barbara O. eine optimale Lösung: Der Mutter stünde dort ein eigenes Zimmer mit Bad zur Verfügung, während der Vater direkt nebenan eine kleine Angehörigenwohnung beziehen könnte. Lediglich über Nacht wären sie getrennt, tagsüber könnten sie jedoch soviel Zeit wie möglich miteinander verbringen. Die ambulante Pflege würde fortgeführt werden. Schon bei der ersten Besichtigung sind die Geschwister von der Einrichtung begeistert. Das Haus ist in einen Stadtteil integriert, in dem vor allem junge Familien wohnen. Alles ist hell und freundlich eingerichtet. Auch die Eltern sind nicht abgeneigt. Überraschend treffen sie bei der Besichtigung auf eine Bekannte, die schon in der Einrichtung wohnt. Ein weiterer Pluspunkt, der für das Haus spricht. Die Bewohner der Einrichtung werden rund um die Uhr betreut. Ihre Selbstbestimmung und Selbstständigkeit müssen sie dabei nicht einbüßen. Vielmehr sollen vor allem auch die dementen Bewohner aktiv am Alltagsleben teilnehmen, zum Beispiel beim gemeinsamen Kochen. Generell wird das gemeinschaftliche Leben unter den Bewohnern durch Spieleabende und ähnliches gefördert. Gemütliche Sitzecken und Gemeinschaftsräume laden zum geselligen Beisammensein ein. Es soll eine familiäre Atmosphäre geschaffen werden. Ein Konzept, das Barbara O. überzeugt und für sie auch einen Vorteil zum Betreuten Wohnen darstellt. „Dort würden unsere Eltern wieder mehr für sich leben.“ Gemeinsam statt einsam Dabei sind es neben optimaler Versorgung und Betreuung die sozialen Kontakte, die Barbara O. für ihre Eltern enorm wichtig sind. Zurzeit halten sich diese vorwiegend allein in ihrer Wohnung auf und sind nur selten unter Menschen. Letztes Jahr hat Barbara O. für ihre Mutter eine kleine Geburtstagsfeier organisiert und deren Bekannten eingeladen: „Mama hatte Spaß für zehn.“ Ihre Tochter wiederum freut es, ihre Mutter glücklich zu sehen. Zurzeit besucht diese Senioren-Nachmittagen, die speziell für Alzheimererkrankte ausgerichtet sind. Die Abwechslung und die Gesellschaft anderer tun ihr gut. „Sie ist danach wie ausgewechselt.“ Mehr soziale Kontakte wünscht sie sich auch für ihren Vater, der ein sehr kontaktfreudiger Mensch ist, offen auf Menschen zu geht und gern redet. „Selbst als er mit meinem Bruder im Türkeiurlaub war, hat er sich mit Händen und Füßen mit den Einheimischen unterhalten“, erzählt sie lachend. Oberste Priorität ihres Vater ist, bei seiner Frau bleiben zu können, mit der er mittlerweile ein halbes Jahrhundert verheiratet ist. Daher stört es ihn auch, über Nacht von ihr getrennt zu sein. Seine Tochter sieht das jedoch anders: „Auch wenn es hart klingt, aber ich finde es gut so.“ Sie wünscht sich, dass ihr Vater nachts durchschlafen kann und nicht dann wach wird, wenn seine Frau wach wird. „Er soll ein bisschen zur Ruhe kommen.“ Barbara O. hat bei der Einrichtung für Demenzkranke ein gutes Gefühl und ist sich sicher, dass ihre Eltern dort gut aufgehoben sind. Die Wohn- und Schlafräume in dem Haus können von den Familien selbst eingerichtet werden. Eine Möglichkeit, die Barbara O. und ihre Geschwister gern in Anspruch nehmen. „Sie sollen es so schön wie möglich haben.“ Auch wenn die alten Möbel der Eltern für die neuen Gegebenheiten zu groß sind, so sollen zumindest kleine Erinnerungsstücke Vertrautheit schaffen. Finanzierung Die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung beider Eltern belaufen sich auf etwa 2.600 Euro pro Monat. Rente und Gespartes des Ehepaares reichen zur Deckung nicht aus. Auch die Kinder verdienen nicht genug, um die Unterbringung der Eltern mitzufinanzieren. Es bleibt nur der Weg über die Sozialhilfe. Für Herrn O., der sein ganzes Leben gearbeitet hat sowie für viele Senioren in der gleichen Situation ein schwerer Schritt. Stolz gepaart mit Scham hindert viele ältere Menschen vor dem Gang zum Sozialamt. Hürden auf dem Weg zum Ziel Nicht nur der anfängliche Widerwille der Eltern, machte den Weg in eine geeignete Unterbringung zu einem steinigen. Eine Hürde stellen auch „die ganzen Behördengänge und der Papierkrieg“ dar:Feststellung und Bestätigung der Alzheimererkrankung, Einholung des Wohnberechtigungsscheins, Offenlegung der Finanzen, Beantragung von Sozialhilfe etc. Für Gero S. ist vor allem die völlige Offenlegung sämtlicher Finanzen erschreckend. „Dass man alles abgeben muss, wofür man sein Leben lang gearbeitet und gespart hat, um im nachhinein mit leeren Händen da zu stehen und dann auch noch Sozialhilfe beantragen muss.“ Weiterhin beklagt er die zum Teil fehlende Transparenz der Kosten mancher Einrichtungen. „Man zahlt, ohne genau zu wissen, wohin das Geld geht.“ Ein neuer Abschnitt Welche Gefühle hat man, wenn man merkt, dass die Eltern, die jahrelang für einen gesorgt haben, nun nicht mehr allein zurecht kommen? Dass ihre Mutter, die ehemals „so taffe Frau“, Alzheimer hat und mitanzusehen, wie die Krankheit weiter fortschreitet, ist für Barbara O. schlimm. Ein kleiner Trost ist ihr jedoch, dass ihre Mutter keine Schmerzen erleiden muss wie beispielsweise Krebskranke. Sie sagt, dass ihre Gefühle im Moment noch zurück stehen. Vordergründig sei derzeit ihr dringendes Bedürfnis, eine geeignete Unterbringung für ihre Eltern zu finden und diese in guten Händen zu wissen. Trotzdem kommen in manchen Situationen die Gefühle hoch. „Wenn ich zum Beispiel sehe, wie schlecht es meinem Vater geht, muss ich die Tränen unterdrücken.“ Sehr schwer fallen wird Barbara O. die Auflösung der elterlichen Wohnung. Sie möchte auch nicht, dass ihre Eltern etwas davon mitbekommen und mitansehen müssen, wie ein Teil ihres Lebens auf dem Sperrmüll landet. „Das würde mir das Herz brechen.“ Sie reißt sich zusammen, will erst alles geklärt haben, den Umzug hinter sich bringen und weiß, dass mit der Erleichterung, alles geregelt zu haben, auch die Tränen kommen werden.