Zeitgefühl von Kindern Wie Kleinkinder Zeit empfinden Anna Reis Erst ab etwa fünf Jahren entwickeln Kinder Zeitgefühl. Bis dahin leben Kleinkinder im Hier und Jetzt, im Augenblick und haben von hier aus nur ganz wenig Sicht auf die Zukunft. Wer hat festgelegt, dass eine Stunde 60 Minuten, ein Tag 24 Stunden und ein Jahr 365 Tage dauert? Das hat sich schon jedes Kind einmal gefragt! Zeit gehört zu den abstraktesten Erfindungen des Menschen. Die Menschen haben ihr Leben in Zeiteinheiten aufgeteilt. Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate und Jahre bestimmen unser Leben und unser Handeln. Dabei können Minuten je nach Empfindung wie im Flug vergehen oder sich ewig hinziehen, werden aber immer gleich gemessen. Kleinkinder dagegen haben kein Zeitgefühl. Sie unterscheiden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft noch nicht von einander. Erst ab etwa fünf Jahren entwickeln Kinder Zeitgefühl. Bis dahin leben Kleinkinder im Hier und Jetzt, im Augenblick und haben von hier aus nur ganz wenig Sicht auf die Zukunft. Sie kennen noch keinen präzisen und definierten Zeitbegriff, wie wir Erwachsene ihn kennen. Sie haben einfach ein anderes Zeitempfinden als Erwachsene und können dabei die Zeit als erfüllte Gegenwart erleben, sozusagen als persönliches Erlebnis. Erich Fromm zu den Chancen dieser Zeitauffassung: „Das Erlebnis des Liebens, der Freude, des Erfassens einer Wahrheit geschieht nicht in der Ewigkeit sondern im Hier und Jetzt. Das Hier und Jetzt ist Ewigkeit, das heißt Zeitlosigkeit: Ewigkeit ist nicht, wie fälschlicherweise angenommen wird, die ins Unendliche verlängerte Zeit.“ Es ist bewundernswert, wie die Kinder im Hier und Jetzt leben. Sie können die Gegenwart „erleben“ und sich darauf einlassen, was der Augenblick anbietet. Während Erwachsene ihren Tag planen und strukturieren, denken Kinder bestenfalls von jetzt bis gleich. Das unterschiedliche Zeitempfinden von Kindern und Erwachsenen prallt natürlich vor allem dann aufeinander, wenn die Zeit knapp und Eile geboten ist. Seien Sie sehr geduldig mit Ihrem Kind, denn es weiß nicht, dass Sie in Eile sind und es versteht auch nicht, warum es jetzt alles so schnell gehen soll. “Morgen“ heißt: noch einmal schlafen Das, was nicht mit augenblicklichen Lebensgefühlen zu tun hat, können die Kinder nicht begreifen. Von „Morgen“, „Gestern“, „In einer Woche“, „Im Sommer“ haben die Kleinkinder noch keine Vorstellung. Die Kleinkinder können sich sehr gut die Ereignisse einprägen, die täglich wiederkehren. Sie können sich merken, dass man nachts schläft und morgens aufsteht, sich die Zähne putzt und frühstückt. Deswegen eignen sich diese wiederkehrenden Ereignisse als Orientierung: „Noch viermal schlafen und dann geht es zur Oma“, „Nach dem Frühstück gehen wir spazieren“ usw. Mit dem Zeitmaß „dreimal schlafen“ kann das Kind mehr anfangen als mit „drei Tagen“, was somit auch eine Möglichkeit wäre, solche abstrakte und für Kinder völlig unverständlichen Zeitmaße in die Lebenswelt des Nachwuchses zu übersetzen. Geben Sie Ihrem Kind keine Versprechungen, dass etwas in einem Monat oder einem Jahr oder im Sommer sein wird. Die Kinder warten sehnsüchtig auf ein bestimmtes Ereignis, das in einem Monat stattfinden wird, haben aber noch kein Zeitgefühl und wissen nicht, wann „in einem Monat“ sein wird. Wenn das Warten umsonst war, sind die Kinder enttäuscht und fühlen sich belogen.