Functional Food Lebensmittel nach dem Baukastenprinzip Andre Bunde Halb Lebensmittel, halb Medikament – so ungefähr ließe sich Functional Food beschreiben. Herkömmliche Produkte werden dabei mit zusätzlichen Inhaltsstoffen angereichert. Gesund muss das nicht sein. Das Prinzip, das hinter dem Functional Food steckt, ist so simpel wie effektiv, zumindest von Seiten der Lebensmittelhersteller. Das Anreichern von altbekannten, etablierten Lebensmitteln mit Inhaltsstoffen, die ihnen über den eigentlichen Nährwert hinaus eine gesundheitsfördernde Wirkung verleihen oder verleihen sollen, ist eine gar nicht so neue Idee. So kamen beispielsweise in Deutschland schon Ende des 19. Jahrhunderts Malzbonbons oder Malzbier auf den Markt. Heute werden vor allem Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, Bakterienkulturen und ungesättigte Fettsäuren hinzugesetzt. Essen nach dem Baukastenprinzip Je nach Zusatz wird auf eine spezifisch gesundheitliche Wirkung abgehoben. Dabei kann auch ein Produkt, das ursprünglich überhaupt nicht unter dem Leitbegriff Gesundheit lancierte, mit positiven Effekten für das körperliche oder geistige Wohlbefinden aufgepeppt werden. Man denke nur an Pommes Frites, angereichert mit wertvollen Vitaminen. Grob kategorisiert lassen sich fünf Wirkungsfelder unterscheiden, in denen Functional Food zum Einsatz kommt. Da wäre einmal das Herz-Kreislaufsystem. Hier kann der Verbraucher auf Omega-3-Brot zurückgreifen, deren enthaltene Omega-3-Fettsäuren den LDL-Cholesterinspiegel senken. Aber auch Diätmargarinen stehen zur Auswahl. In ihnen sind Pflanzenstoffe wie Phytosterin zu finden, das eine ähnliche Wirkung hat. Ein weiterer Bereich ist die Krebsvorsorge. Hier dürften ACE-Säfte am bekanntesten sein. Die zugesetzten Vitamine wirken als Antioxidantien, die aggressive Sauerstoffatome fangen. Besonders vielfältig ist das weite Feld von Substratstoffwechsel, Entwicklung und Wachstum. Unüberschaubar ist die diesbezügliche Anwendung von Functional Food. Oft handelt es sich nur um ein Getränk, das etwa mit einer Extra-Portion Kalzium zur Stärkung der Knochen versehen wurde. Auf psychologischer Ebene kommt unter anderem Koffein in Energy-Drinks zur Leistungssteigerung zum Einsatz. Nicht zu vergessen sind die Klassiker: Probiotische Lebensmittel, die über die in die Darmflora eingeschleusten Mikroorganismen eine Vielzahl von Wirkungen zeitigen sollen. Einwände gegen Functional Food Doch so einfach, wie sie auf den ersten Blick erscheint, ist die ganze Sache nicht. Von vielen Seiten muss sich das Functional Food Kritik gefallen lassen. Auch das Lager der Ernährungswissenschaftler ist gespalten. Für einige funktionellen Lebensmittel ist die gesundheitliche Wirkung schon erwiesen, für viele steht ein fundierter wissenschaftlicher Nachweis über ihre Effekte noch aus. Besonders problematisch sind Erkenntnisse, die isoliert im Labor errungen wurden, und nun auch vorbehaltlos in der Praxis angenommen werden. Ob die Wirkung einzelner Inhaltsstoffe weiterhin besteht, wenn sie aus ihrem ursprünglichen Milieu gelöst und einem neuen Umfeld zugesetzt werden, in dem sie einen Fremdkörper darstellen, ist zweifelhaft. Solche „Transplantationen“ hätten gerade für Allergiker ungeheure Vorteile, da sie ihnen die Versorgung mit wichtigen Nährstoffen erleichtern würden. So kann Kalzium auch ohne Milch sein Gutes tun. Für einige Inhaltsstoffe erhärtet sich aber der Verdacht, das sie nur in Kombination mit ihrer natürlichen Umgebung von Nutzen sind. Der Forschungsbedarf ist hinsichtlich dieser Frage noch enorm. Besonders kritische Stimmen verweisen zudem auf die schiere Menge an zugesetzten Inhaltsstoffen in etlichen Lebensmitteln, so dass es dem Verbraucher fast unmöglich gemacht wird, den Überblick über die tatsächlich zugeführte Menge zu behalten. Infolgedessen bestünde die Gefahr einer Überdosierung, die zum Beispiel im Falle von fettlöslichen Vitaminen tatsächlich denkbar ist. Einige Zusätze seien demzufolge nur bei Mangelsituationen gerechtfertigt. Darüber hinaus könnte, rein psychologisch betrachtet, das ungeheure Angebot von Functional Food dazu verleiten, eine „konventionell“ ausgewogene Ernährung zu vernachlässigen oder ganz aus den Augen zu verlieren. Dies ist vor allem bedenklich, weil neben den zugeführten Inhaltsstoffen das eigentliche Produkt bestehen bleibt. Um bei den schon erwähnten Pommes Frites zu bleiben: Auch mit vielen Vitaminen würden sie dennoch Pommes Frites bleiben, also eine ziemliche fettige Angelegenheit. Functional Food kann demnach vielleicht als Zusatz zur, aber keineswegs als Ersatz für eine ausgewogene Ernährung angesehen werden.